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Mit Elvis und Tschaikowsky

Inklusion ist ein grosses Thema. Doch an manchen Orten und in manchen Gruppen scheint sie ohne grosse Projekte und Konzepte einfach natürlich zu passieren. So wie beim Tanzkurs «Tanzen
aus Freude» – wo auch Beat Schöpfer seiner Leidenschaft nachgeht.

Es ist ein sonniger Nachmittag kurz vor vier Uhr. Langsam treffen die Teilnehmer:innen im Studio «Bewegung4you» in Kriens ein. Gleich beginnt der Kurs «Tanzen aus Freude», der von der Pro Senectute angeboten wird. Beat Schöpfer ist seit Beginn an dabei. Der 71-Jährige hat eine grosse Leidenschaft für die Musik. Besonders Rock’n’Roll hat es ihm angetan, und Elvis Presley
ist seine absolute Ikone. Dazu passt auch das Outfit, mit dem er auf den Tanzboden tritt: Über der Jeans und dem Ledergürtel mit der grossen Schnalle trägt er ein Westernhemd in Schwarz und Weiss.

 

Beat Schöpfer wohnt seit vier Jahren im Wohnen Stöckli bei Brändi. Vor seiner Pension arbeitete er in der Produktion Horw. Auf der Wohngruppe kennt man ihn als geselligen Menschen, der am Gruppenleben teilnimmt, der gerne mitkocht, im Haushalt hilft und oft auch seinen Pflegevater besucht, bei dem er noch vor wenigen Jahren lebte. Doch er ist auch gerne mal für sich, beobachtet
leidenschaftlich gerne Züge und hört Musik.

 

Den Kurs am Dienstagnachmittag besucht er jede Woche mit grosser Begeisterung und auch mit einem gewissen Stolz. Früher habe er auch manchmal getanzt, bei Hochzeiten zum Beispiel oder beim Zunftball. Nun jedoch ist der wöchentliche Kurs seine Tanzfläche. Hier ist er der Hahn im Korb, «King Elvis» nennen ihn die Mittänzerinnen mit einem Augenzwinkern.

Keine Berührungsängste

Durch die Dachfenster des Tanzstudios scheint die Sonne herein, als die Gruppe mit dem Aufwärmen beginnt. Zu 20er-Jahre-Swing-Musik vom Broadway werden erst die Schultern mobilisiert, dann beginnt die Beinarbeit, hoch mit den Armen, Wiegen wie im Wind, Hüften kreisen, Federn und Abtauchen. Nina Koopmann steht vorne und leitet an. Die Bewegungspädagogin, Pilates-Lehrerin und Leiterin für therapeutischen Tanz bietet den Kurs seit dem Sommer 2024 an – für Menschen ab 60 Jahren. «Wir haben hier mit dem Kurs das Ziel, die Freude am Tanzen zu wecken und zu erhalten», erklärt Koopmann. Das Angebot bestehe deshalb aus einem Mix aus Improvisationsteil, in dem frei getanzt werden könne, und kleineren Choreografien wie beispielsweise einem
Line-Dance.

 


Beat Schöpfer sei ein sonniges Gemüt und seine Begeisterung für die Musik ansteckend, sagt Nina Koopmann. Aber allgemein sei die Stimmung in der Gruppe toll. «Eine aussergewöhnlich schöne Gruppendynamik», schwärmt sie. Und das ist sofort spürbar. Es herrscht eine gelöste Fröhlichkeit, viel wird gelacht, Hemmungen oder Berührungsängste sieht man keine. Beim Improvisationsteil
wechselt Nina Koopmann immer wieder die Lieder und alle tanzen so, wie sie die Musik gerade fühlen. Wir springen von Tschaikowskys Schwanensee zu Salsa aus Puerto Rico, weiter zu traditioneller irischer Tanzmusik, eine Polka erklingt, dann der Snow Waltz von André Rieu und schliesslich wird zu Militärmusik marschiert und spielerisch gegrüsst. Es wird geklatscht,
gestampft, gehüpft und um die eigene Achse gedreht. Die einen singen mit, die anderen haken sich ein, jemand tanzt ganz in sich selbst versunken mit geschlossenen Augen.

Immer in Bewegung

Dann beginnt der Choreografieteil des Kurses, bei dem nun noch viel öfters Gelächter ausbricht. Denn über die Ferien sind bei einigen die Schritte etwas in Vergessenheit geraten und es kommt zu kleineren Kollisionen auf der Tanzfläche.

 

Alle, die hier tanzen, zwischen 64 und 76 Jahren, tun das in ihrer eigenen Intensität, im eigenen Tempo. Die Fitness ist unterschiedlich, doch das spielt keine Rolle. Es gehe hier nicht darum, mit dem Tanz einen Preis zu gewinnen, auch nicht darum, besonders schön oder gesellschaftstauglich zu tanzen, betont Nina Koopmann. Bei diesem Kurs geht es um Bewegung und Spass und
darum, den eigenen Körper zu spüren.

 

Beat Schöpfer hält sich dabei manchmal scheinbar zurück, dann gibt er plötzlich Gas. Dann wieder scheint er den eigenen Körper ganz zu vergessen, vertieft in die Musik oder auch in die eigenen Gedanken. Beinahe still wird er, beobachtet das Treiben um sich herum – doch seine Beine, die bleiben immer in Bewegung. Selbst beim kurzen Sitzen in der Trinkpause wippt das Knie weiter.

 

Bei der Musikwahl orientiert sich Nina Koopmann in diesem Kurs auch mal gern an den Vorlieben der Teilnehmer:innen und an deren Vorschlägen. So schafft es Elvis Presley dank Beat Schöpfer öfters mal durch die Lautsprecher zu tönen. Diesmal beim Kreistanz, bei dem sich alle an den Händen fassen, bevor es ins tänzerische Ausdehnen geht. Ein ruhiger Abschluss, bei dem nur ein
paar tiefe Atemzüge davon zeugen, wie sehr vor wenigen Minuten noch die Beine und Arme durch die Luft flogen. Dann macht Nina Koopmann die Musik aus. Es wird geklatscht – bis zum nächsten Mal.