Ausbildung mit Hürden

In wenigen Wochen stehen Prüfungen an, und Dario Künzli lernt dafür schon seit Monaten. Dass er jetzt, mit 20 Jahren, vor seinem Eidgenössischen Berufsattest (EBA) steht, hätte er jedoch vor ein paar Jahren nicht gedacht. Er sei in der Schule nie «ein Held» gewesen, sagt der grossgewachsene Mann mit den dunklen Locken. Dario Künzli wurde mit einer neurologischen Entwicklungsstörung geboren und wegen seiner Legasthenie hat er besonders auch beim Schreiben und Lesen Mühe. In der Schule machte das vieles schwierig und ihm graute vor der Vorstellung, in der Berufsschule weiterhin lernen zu müssen.
Noch in der Schulzeit begann für Dario Künzli wegen seiner Lernschwierigkeiten ein «Assessment». Dabei wurde Brändi von der IV-Stelle Luzern beauftragt, ihn bei der Lehrstellensuche zu begleiten. Die Ausbildung wird ebenfalls von der IV übernommen, um ihm einen guten Start ins Berufsleben zu ermöglichen. Und dafür zu sorgen, dass er selbstbestimmt und rentefrei im ersten Arbeitsmarkt tätig sein kann.
Er habe bei sicher zwölf verschiedenen Betrieben geschnuppert, erzählt Künzli: Schreiner, Maurer, Landwirt, Gärtner, Holzindustriefachmann … Dann endlich stiess er auf eine Stelle mit der Vielseitigkeit, die er eher unbewusst gesucht hatte: Fachmann Betriebsunterhalt beim Werkhof der Stadt Sursee. Hier besteht die Arbeit aus vielen Tätigkeiten: Gärtnerarbeiten, Einsätzen bei Schnee, der Fasnacht oder grossen Festen. Dazu das Strassenflicken, technische Arbeiten oder die Hauswartung an Schulanlagen.
Zwischen dem Werkhof Sursee und der dazugehörigen Gärtnerei haben wir uns gemeinsam in die Sonne gesetzt. Die orangene Arbeitsuniform, die Künzli trägt, leuchtet zwischen all dem Braun und Grün. Er hat seine Arbeit unterbrochen, um von seinem recht holprigen Weg ins Berufsleben zu erzählen.
Eine Frage der Prioritäten
Als Dario Künzli endlich seine Lehrstelle gefunden hatte, begannen den damals 16-Jährigen kurz vor Schulabschluss heftige Kopfschmerzen zu plagen. «Dann ging alles richtig schnell», erzählt er. Eine starke Meningitis hatte ihn erwischt, wahrscheinlich durch einen Zeckenbiss. Er lag im Koma, verbrachte Monate im Spital, darauf folgte ein intensives Jahr mit unzähligen Therapien. «Ich war halbseitig gelähmt und musste alles wieder neu lernen: das Sprechen, Essen, Laufen», erzählt Künzli.
Die geplante Ausbildung begann er im Herbst 2021 trotzdem. Dies in einem 20-Prozent-Pensum, das er aber stetig steigerte. Bei seinem Arbeitgeber und im Team sei das nie Thema gewesen. Auch wenn es ihm zwischendurch körperlich nicht so gut gehe, sei Verständnis da und Unterstützung, auch bei schulischen Fragen. Mit dem Werkdienst der Stadt Sursee hat Dario Künzli einen
Arbeitgeber gefunden, der seine Motivation sieht und bei dem die Ausbildung auch in einem langsameren Tempo kein Problem darstellt. Berufsbildner Marc Riederer war von Beginn an von dem Auszubildenden begeistert.
«Man merkt schnell, ob es passt», so Riederer. Und das habe er schon beim Schnuppern gesehen. Auch wenn es bei den schulischen Leistungen teilweise hapere, alles andere sei mehr als
überzeugend. In der Berufswelt werde zu sehr auf die Schulnoten geachtet, findet Riederer. «Denn was eine viel grössere Rolle spielt, ist das Soziale.» Dario sei zuverlässig, offen, motiviert und ein vorbildlicher Mitarbeiter.
Nach dem EBA-Abschluss will dieser nun das EFZ, das Eidgenössische Fähigkeitszeugnis, anhängen. Und später vielleicht noch eine Ausbildung zum Landwirt, was aktuell eher ein Hobby sei, erzählt Künzli. Oft und gerne helfe er in seiner Freizeit Freunden und Bekannten auf deren Höfen aus.

Lernen für sich selber
Neben der Berufsschule besucht Dario Künzli wöchentlich zwei Lektionen der Förderung bei Brändi, wo er bei der Verarbeitung seines Schulstoffs begleitet wird. Das Stützangebot gilt für Lernende EBA oder EFZ mit knappen schulischen Leistungen und ist für Künzli eine wichtige Unterstützung, die Früchte trägt. «Ich habe in der Berufsschule und durch die Förderlektionen
erstmals in meiner Schulkarriere das Gefühl gehabt, dass ich für mich lerne. Nicht für andere», sagt Künzli. Er wisse mittlerweile auch, dass er für das Lernen oft doppelt so lange brauche wie seine Schulkollegen, und er nehme sich diese Zeit. Was sich auch an den Noten zeigt.
Natürlich sei er manchmal auch wütend darüber, dass er diese Schwierigkeiten in der Schule hat und ihn auch noch die Hirnhautentzündung erwischt hat. Und doch habe er verhältnismässig Glück gehabt. Zudem habe er viel aus der Zeit gelernt, sagt er: «Ich weiss, wie wichtig es ist, auf den eigenen Körper zu hören und die eigenen Grenzen zu kennen.»